Auf meine alten Tage bin ich tatsächlich noch mal zur Studentin geworden! Ich habe meinen Master im Konferenzdolmetschen am ftsk Germersheim diesen Sommer erfolgreich abgeschlossen. Hiermit erkläre ich also, im 56. Semester, mein Studium offiziell für beendet!
Letzte Woche gab es ein rundes Jubiläum bei Didion Translations: das Projekt mit der Nummer 1000. Ein Einsatz als Gerichtsdolmetscherin im schönen Schweinfurt!
Fünfzig Pfennig für jeden Relativsatz mit „der wo“. So war in den frühen Achtzigerjahren die Regelung an meiner Grundschule. Und da kam ganz schön was zusammen. (An dieser Stelle viele Grüße an meinen ehemaligen Grundschullehrer Herrn Witter(1). Hoffentlich haben Sie auf den Kanaren besseres Wetter als wir hier!) Die Aufgabe der Schule war es, uns Dorfkindern Hochdeutsch beizubringen. Dialekt hatte da keinen Platz.
Wegweiser auf Inishmore
Welchen Stellenwert regionale Sprachen anderswo haben, musste ich in unserem letzten Sommerurlaub in Irland erleben. Dún Eoghanachta. Solchen Wortungetümen sieht man sich als Tourist gegenüber, sobald man sich in die Gaeltacht wagt, die Gebiete, in denen das Irische offiziell die vorherrschende Sprache ist. Orts- und Straßenschilder sind dort nicht zweisprachig, sondern ausschließlich auf Irisch. Doch auch im Rest des Landes ist das Irische – nicht das Englische – Hauptamtssprache. Englisch bringt es nur zur „second official languge“. Die irische Verfassung ist zweisprachig, wenn die beiden Sprachfassungen voneinander abweichen, geht jedoch der Text in irischer Sprache vor. Und das, obwohl nur 40,8 % der Iren von sich behaupten, der irischen Sprache überhaupt mächtig zu sein. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Irisch an den Schulen gelehrt wird. Und zwar als Pflichtfach.
Woher dieser unterschiedliche Umgang mit regionaler Sprache? Klar, einerseits vergleiche ich hier Äpfel mit Birnen. Das Irische ist eine eigenständige Sprache, kein Dialekt einer Hochsprache. Und dann ist es eben eine Sprache, während es in Deutschland so viele Dialekte wie Dörfer gibt. Doch schon diese zweite Unterscheidung trifft nur bedingt zu. Zwar wird an Schulen ein auf staatliche Initiative hin erarbeitetes Standardirisch unterrichtet. Tatsächlich wird dieses künstlich geschaffene „Hochirisch“ jedoch nirgendwo gesprochen, stattdessen existieren verschiedene regionale Ausprägungen. So gesehen existiert das Irische nur in Form von Dialekten.
Der Ursprung der unterschiedlichen Bewertung von Regionalsprache dürfte vielmehr in der Geschichte liegen, in dem anders geprägten Ringen um einen Nationalstaat. Für die Iren ist das Irische die autochthone Sprache, in Abgrenzung zum Englischen, der Sprache der Besatzer. Noch heute ist die eigenständige Sprache (Englisch und Irisch gehören nicht einmal demselben Sprachzweig an) ein Symbol auch kultureller Eigenständigkeit. Die deutschen Dialekte hingegen sind aus jahrhundertelanger Kleinstaaterei entstanden. Wo jeder Landstrich ein eigenes Fürstentum bildete, fand auch keine sprachliche Durchmischung statt. Als ich zur Grundschule ging, gab es Deutschland als staatliches Gefüge gerade einmal gute hundert Jahre. Kein Wunder, dass dieser junge Staat das sprachlich Einende, nicht Trennende fördern wollte.
Doch seit meiner Schulzeit ist noch mal viel Wasser die Altmühl hinuntergeflossen. (Und das, obwohl ich behaupten kann, an den Ufern des am langsamsten fließenden Fluss Deutschlands geboren zu sein.) Europa wächst immer stärker zusammen, zumindest war das der Plan. Die Epoche der „europäischen Kleinstaaterei“ ist hoffentlich beendet. Und dennoch, der Mensch besitzt eine tief verwurzelte Sehnsucht nach regionaler Zugehörigkeit. Das Erstarken separatistischer Kräfte ist sicher nicht nur, aber auch darauf zurückzuführen. Deshalb muss an die Stelle des Europa der Staaten ein Europa der Regionen treten. Regionen bieten ein viel höheres – und gesünderes – Identifikationspotenzial. Regionale Identität lässt sich sinnlich erleben, staatliche nicht. Ein kleiner Test: Wie schmeckt Deutschland? Nicht wirklich. Wie schmeckt Franken? Nach Bratenduft, nach Lebkuchen, nach feuchtem Laub am Waldboden, nach den Algen im Altmühlsee. Wie schmeckt Hamburg? Nach Seetang, nach Astra, nach großer weiter Welt und ein bisschen nach Fisch.
Neuschwanstein
Ein Freund, Aki, der ursprünglich aus Persien stammt, bezeichnet sich gerne als Franke. Würde er sich auch als Deutscher bezeichnen? Ich habe ihn noch nicht gefragt. Aber er schwärmt von „unserem Franken“ und „unserem Bayern“. Regelmäßig macht er sich von seiner kleinen Autowerkstatt am Nürnberger Plärrer auf zu Orten wie Schloss Neuschwanstein oder Schloss Berg am Starnberger See, wo Ludwig II. zu Tode kam. „Wenn der Ludwig sehen könnte, dass ich da am Ufer stehe, würde er sich gleich noch mal umbringen“, meint Aki. Ich meine das nicht. Der Kini hätte sich bestimmt über den begeisterten Neubayern gefreut.
Regionen können also ein konkreteres, erlebbares Heimatgefühl stiften als Länder, und das für Neubürger wie für Alteingesessene. Deshalb sollten wir regionale Identität fördern, und dazu trägt auch die Pflege von Dialekten bei. Fränkisch, Bayerisch, Schwäbisch oder Kölsch als Schulfach? Warum nicht. Es muss ja nicht gleich ein Pflichtfach sein. Und wer als Kind verschiedene Bundesländer durchlebt, hat eben die Möglichkeit, verschiedene Dialekte zu erlernen – und damit auf jeder Party zu brillieren.
Früh übt sich der, der wo ein Meister werden will.
Ein Einblick in Luthers Übersetzungswerkstatt in sieben Punkten. Teil 3.
6) Luther antwortete selbstbewusst auf Kundenfeedback. Sein berühmter Sendbrief vom Dolmetschen ist nichts anderes als eine seitenlange Antwort auf Kundenfeedback – wie sie jeder Übersetzer schon verfasst haben dürfte. Wenn auch hoffentlich etwas diplomatischer als Luther. Auf die Frage hin, warum er in Römer 3,28 übersetzt habe, der Mensch werde gerecht „allein durch den Glauben“, obwohl sich in der lateinischen Version das Wort „sola“ nicht finde, stellt er klar:
Wahr ist’s: Diese vier Buchstaben s-o-l-a stehen nicht drinnen, welche Buchstaben die Eselsköpf ansehen wie die Kühe ein neu Tor, sehen aber nicht, daß es gleichwohl dem Sinn des Textes entspricht, und wenn man’s will klar und gewaltiglich verdeutschen, so gehöret es hinein, denn ich habe deutsch, nicht lateinisch noch griechisch reden wollen, als ich deutsch zu reden beim Dolmetschen mir vorgenommen hatte. Das ist aber die Art unsrer deutschen Sprache, wenn sie von zwei Dingen redet, deren man eines bejaht und das ander verneinet, so braucht man des Worts solum „allein“ neben dem Wort „nicht“ oder „kein“. So wenn man sagt: „Der Baur bringt allein Korn und kein Geld.“ (…)
Denn man muss nicht die Buchstaben in der lateinischen Sprache fragen, wie man soll Deutsch reden, wie diese Esel tun, sondern man muss die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und denselbigen auf das Maul sehen, wie sie reden, und darnach dolmetschen; da verstehen sie es denn und merken, daß man deutsch mit ihnen redet.
Und er wird noch direkter:
Wenn euer Papist sich viel Beschwer machen will mit dem Wort „sola-allein“, so sagt ihm flugs also: Doktor Martinus Luther will’s so haben, und spricht: Papist und Esel sei ein Ding. (…)
So will ich mich auch wider diese meine Esel rühmen. Sie sind Doktores? Ich auch! Sie sind gelehrt? Ich auch! Sie sind Prediger? Ich auch! Sie sind Theologen? Ich auch! Sie sind Disputatoren? Ich auch! Sie sind Philosophen? Ich auch! Sie sind Dialektiker? Ich auch! Sie sind Legenten? Ich auch! Sie schreiben Bücher? Ich auch! Und will weiter rühmen: Ich kann Psalmen und Propheten auslegen; das können sie nicht. Ich kann dolmetschen; das können sie nicht. Ich kann beten, das können sie nicht.
Quelle: Den kompletten Sendbrief vom Dolmetschen kann man hier lesen. Eine vergnügliche Lektüre für jeden Übersetzer! Allerdings muss ich mich nun zusammenreißen, dass ich nicht bei der nächsten Kundenrückfrage erkläre: Cordula Didion will’s so haben!
„Wir hätten in der Halbzeit schon können 3:0 oder 4:0 führen müssen.“ So Jogi Löw gestern nach dem 1:0 gegen Nordirland. Oder, im selben Interview, etwas weniger abenteuerlich: „Wir hätten können 3:0, 4:0 führen.“ Wir lieben den Bundestrainer für Sätze wie diesen. Aber warum? Was wirkt daran so sympathisch?
Nun, eigentlich ist die von Löw verwendete Satzstellung grammatikalisch falsch. Ich vermute, hier handelt es sich um eine Schwarzwälder Spezialität. Und dass auch unser Bundestrainer alles kann außer Hochdeutsch – das lässt ihn so wunderbar menschlich erscheinen.
Korrekt wäre übrigens: „Wir hätten 3:0, 4:0 führen können.“ In Aussagesätzen steht nur das finite Verb (also hier „hätten“) direkt nach dem Subjekt. Die infiniten Verbformen (hier also nicht nur „führen“, sondern auch „können“) werden ans Satzende gepackt. Zusammen bilden hier finite und infinite Formen die sogenannte Satzklammer. Alles innerhalb der Satzklammer heißt im Grammatikjargon übrigens „Mittelfeld“.
Indem er die infiniten Verben nach vorne stellt, überspielt Jogi bei der medialen Verteidigung seiner Mannschaft also locker mal das Mittelfeld. Und was könnte einen Trainer sympathischer machen?
Aschermittwoch. Faschingsende. Doch leben wir Übersetzer nicht irgendwie immer in der fünften Jahreszeit?
Es dürfte wenige Berufsstände geben, deren Angehörige so oft in unterschiedliche Rollen schlüpfen wie wir. Gut, wir sind dabei nicht komödiantenhaft und auch nicht betrunken. Und leider gibt es auch nach dem besten Wortspiel keinen Tusch.
Aber wir leben viele Leben: Wir sind Chefärzte (medizinische Übersetzungen), Romanciers (Literaturübersetzung), Richter (Rechtsübersetzer), verliebte Touristen (Übersetzung von Liebesbriefen – ja, auch das kommt vor!) und sogar die Stimme der Bundeskanzlerin oder des französischen Präsidenten (Konferenzdolmetscher – die besten von ihnen).
Und bei Eilübersetzungen machen wir auch mal die Nacht zum Tage.
In diesem Sinne, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch heute ein herzliches: Helau!
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