Ein Einblick in Luthers Übersetzungswerkstatt in sieben Punkten. Teil 3.

Ich kann dolmetschen, das können sie nicht.

Ich kann beten, das können sie nicht.

 

Luther als Übersetzer

 

Ein Einblick in Luthers Übersetzungswerkstatt in sieben Punkten. Teil 3.

 

6) Luther antwortete selbstbewusst auf Kundenfeedback. Sein berühmter Sendbrief vom Dolmetschen ist nichts anderes als eine seitenlange Antwort auf Kundenfeedback – wie sie jeder Übersetzer schon verfasst haben dürfte. Wenn auch hoffentlich etwas diplomatischer als Luther. Auf die Frage hin, warum er in Römer 3,28 übersetzt habe, der Mensch werde gerecht „allein durch den Glauben“, obwohl sich in der lateinischen Version das Wort „sola“ nicht finde, stellt er klar:

Wahr ist’s: Diese vier Buchstaben s-o-l-a stehen nicht drinnen, welche Buchstaben die Eselsköpf ansehen wie die Kühe ein neu Tor, sehen aber nicht, daß es gleichwohl dem Sinn des Textes entspricht, und wenn man’s will klar und gewaltiglich verdeutschen, so gehöret es hinein, denn ich habe deutsch, nicht lateinisch noch griechisch reden wollen, als ich deutsch zu reden beim Dolmetschen mir vorgenommen hatte. Das ist aber die Art unsrer deutschen Sprache, wenn sie von zwei Dingen redet, deren man eines bejaht und das ander verneinet, so braucht man des Worts solum „allein“ neben dem Wort „nicht“ oder „kein“. So wenn man sagt: „Der Baur bringt allein Korn und kein Geld.“ (…)

Denn man muss nicht die Buchstaben in der lateinischen Sprache fragen, wie man soll Deutsch reden, wie diese Esel tun, sondern man muss die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und denselbigen auf das Maul sehen, wie sie reden, und darnach dolmetschen; da verstehen sie es denn und merken, daß man deutsch mit ihnen redet.

Und er wird noch direkter:

Wenn euer Papist sich viel Beschwer machen will mit dem Wort „sola-allein“, so sagt ihm flugs also: Doktor Martinus Luther will’s so haben, und spricht: Papist und Esel sei ein Ding. (…)

So will ich mich auch wider diese meine Esel rühmen. Sie sind Doktores? Ich auch! Sie sind gelehrt? Ich auch! Sie sind Prediger? Ich auch! Sie sind Theologen? Ich auch! Sie sind Disputatoren? Ich auch! Sie sind Philosophen? Ich auch! Sie sind Dialektiker? Ich auch! Sie sind Legenten? Ich auch! Sie schreiben Bücher? Ich auch! Und will weiter rühmen: Ich kann Psalmen und Propheten auslegen; das können sie nicht. Ich kann dolmetschen; das können sie nicht. Ich kann beten, das können sie nicht.

 

Quelle: Den kompletten Sendbrief vom Dolmetschen kann man hier lesen. Eine vergnügliche Lektüre für jeden Übersetzer! Allerdings muss ich mich nun zusammenreißen, dass ich nicht bei der nächsten Kundenrückfrage erkläre: Cordula Didion will’s so haben!