Ein Einblick in Luthers Übersetzungswerkstatt in sieben Punkten. Teil 2.

Ich kann dolmetschen, das können sie nicht.

Ich kann beten, das können sie nicht.

Luther als Übersetzer

Ein Einblick in Luthers Übersetzungswerkstatt in sieben Punkten. Teil 2.

2) Luther wollte den Originaltext sehen.Das Original ist hebräisch oder griechisch, kommt drauf an, aber Sie können auch aus der griechischen oder lateinischen Übersetzung übersetzen. Also die meisten übersetzen einfach aus dem Lateinischen. Sie bekommen jetzt einfach mal alles als Vorlage. Sollte ja dasselbe drinstehen.“ Schon Luther kannte diese Situation. Wäre er von einer Übersetzungsagentur beauftragt gewesen, so hätten die Jobanweisungen lauten können. Denn „die Bibel“ lag in verschiedenen Sprachfassungen vor. Das Neue Testament, dessen Urschriften auf Griechisch verfasst sind, übertrug Luther anhand einer Ausgabe von Erasmus von Rotterdam, in der die lateinische Übersetzung und das griechische Original einander gegenübergestellt sind. Das Alte Testament übersetzte er aus dem Hebräischen, hatte dabei aber die griechische und lateinische Fassung vor Augen.

Im Zweifelsfall stützte er sich jedoch nicht auf die Weltsprache Latein, sondern auf den Originaltext — und das war damals revolutionär. So konnte er Fehler ausmerzen, die sich durch die verschiedenen Übersetzungen zogen. Beispielsweise sagt der Prophet Sacharja im Alten Testament — in der hebräischen Fassung — noch recht zutreffend voraus, dass „der, der da kommt“ auf einem „Esel“ nach Jerusalem einreiten wird, und präzisiert dann: nämlich „auf dem Füllen einer Eselin“. In der griechischen Übersetzung reitet er dann gleichzeitig auf einem Esel und auf dem Füllen einer Eselin. Und obwohl Jesus nicht primär als Kunstreiter bekannt ist, wurde dieser Übersetzungsfehler in die lateinische Bibelübersetzung übernommen. Schon zu Luthers Zeiten war es also aufschlussreich, sich auch mal „das Original vom Original“ anzusehen.

Copyright Figur: Playmobil - geobra Brandstätter Stiftung & Co. KG, Zirndorf Zu haben ist der sympathische Luther unter tourismus.nuernberg.de/shop.
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Zu haben ist der sympathische Luther unter tourismus.nuernberg.de/shop.

3) Luther arbeitete im Team. Anders als es eine gängige romantische Vorstellung will — Luther, einsam auf der Wartburg beim Licht einer Öllampe arbeitend — entstand der Großteil der Bibelübersetzung in Teamarbeit. Bei der Übersetzung des Alten Testaments ließ sich Luther von einer Expertengruppe beraten, die einmal wöchentlich in seinem Kloster zusammentraf. Und die Experten waren sorgfältig ausgewählt. Sie waren nicht nur auf verschiedene Ausgangssprachen spezialisiert (Lateinisch, Griechisch und vor allem Hebräisch), sondern sie stammten auch aus unterschiedlichen Regionen. Diese Teamarbeit war also ausschlaggebend dafür, dass in Luthers Übersetzung verschiedene Dialekte zu einer neuen Hochsprache verschmelzen konnten. Und wenn schon Luther so großen Wert auf den Austausch mit Kollegen von überall her legte — dann sollten wir im Internetzeitalter das erst recht tun!

Quelle: Vortrag von Nikolaus Schneider auf der Rostocker Konferenz zur Überarbeitung der Lutherübersetzung

4) Luther recherchierte. Und im prä-digitalen Zeitalter fielen Recherchen natürlich aufwendiger aus. Beispielsweise ließ er sich für die Übersetzung der Apokalypse einige Edelsteine aus der Schatzkammer Friedrichs des Weisen auf die Wartburg bringen, um deren richtige Bezeichnung gleich am Objekt zu lernen. Man muss dazusagen, dass in der Apokalypse eine Menge Edelsteine vorkommen. Aber so ist es auch noch heute: Für Recherchen scheuen wir Übersetzer keine Mühen. Und unser Umfeld hoffentlich auch nicht.

Quellen:
Vortrag von Nikolaus Schneider auf der Rostocker Konferenz zur Überarbeitung der Lutherübersetzung

5) Luther arbeitete zielgruppenorientiert. Er wollte eine für jedermann verständliche Übersetzung schaffen. Das war ihm wichtiger, als wörtlich am Text zu kleben, auch wenn es sich bei diesem um die Bibel handelte. Er selbst hat diese Herangehensweise recht griffig in Worte gefasst: Man „muss nicht die Buchstaben in der lateinischen Sprache fragen, wie man soll Deutsch reden, wie diese Esel tun, sondern man muss die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und denselbigen auf das Maul sehen, wie sie reden, und darnach dolmetschen; da verstehen sie es denn und merken, daß man deutsch mit ihnen redet.“

Quelle: Luthers Sendbrief vom Dolmetschen, aus dem wir auch heute noch viel lernen können. Wenn auch vielleicht nicht zum Umgang mit Kundenfeedback … doch dazu bald mehr in Punkt 6) meiner kleinen Reihe!