Neu im Werkzeugkasten: AnyCount

Nicht alles, was zählt, kann gezählt werden, und nicht alles, was gezählt werden kann, zählt.

Mit diesem Einstein zugeschriebenen Zitat wirbt das Unternehmen AIT für seine Software AnyCount: ein Tool, das zu fast jedem Dateiformat die Anzahl der darin enthaltenen Wörter ermittelt. Und „fast jedes Dateiformat“ bedeutet hier tatsächlich fast jedes Dateiformat, von PDF über PowerPoint bis hin zu exotischeren Formaten wie BMP oder PNG.

Im Rahmen der GroupBuy-Aktion des BDÜ habe ich mir dieses Universalgenie zugelegt – denn wenn es darum geht, den Preis einer Übersetzung zu bestimmen, zählt eben doch, was gezählt werden kann.

https://www.anycount.com/

Schnell und charmant: der Glossary Converter

Die Aufgabe: ein Excel-Glossar in MultiTerm konvertieren.

Die Lösung: der Glossary Converter!

Googeln hilft. Und der Glossary Converter auch.

Vorausgegangen war ein stundenlanges Experimentieren mit SDL MultiTerm Convert, dem Tool, das SDL eigentlich zu diesem Zweck entworfen hat. Ich habe auch schon erfolgreich damit gearbeitet: bei kleineren Glossaren. Doch mein Glossar zur französischen Rechtssterminolgie, das inzwischen rund 600 Einträge und ellenlange Definitionen umfasst, brachte SDL MultiTerm Convert zum Absturz. Bei jedem Versuch. Und ich unternahm viele. Nach dem ersten Fehlversuch wartete ich erst mal die Installation meiner neuen SSD-Karte ab. Doch auch die half nichts. Dann unterteilte ich das Glossar in kleinere Glossare, und dann in noch kleinere. Ohne Erfolg. In einem Forum fand ich den Tipp, die Tabelle solle möglichst keine leeren Felder enthalten. Also befüllte ich die Felder der „unübersetzbaren Begriffe“ einfach mit dem Originalbegriff. Auch diese Fleißarbeit war nicht von Erfolg gekrönt.

Und dann tat ich das, was ich schon viel früher hätte tun sollen. Ich googelte. Probleme Excel MultiTerm. Und stieß auf ein Tool, das von einem Anwender entworfen wurde: den Glossary Converter. Den lädt man sich schnell herunter und zieht dann die zu konvertierende Datei auf das Logo am Desktop. Einfacher geht’s nicht. In einer Minute war mein Glossar konvertiert.

Zu finden ist das Tool auf der privaten Website des Entwicklers: https://www.cerebus.de/. Neben Infos zu einem Computerspiel für den C64, einem Tool, mit dem man die Bildschirmuhr nach dem Vorbild der Lieblingsarmbanduhr gestalten kann, und Auszügen aus dem legendären Comic Cerebus.

Auch über die SDL-Website bekommt man den Glossary Converter: https://appstore.rws.com/language/app/glossary-converter/195/. Wenn ich das richtig sehe, haben sie den Programmierer inzwischen eingestellt, eine kluge Entscheidung. Ich habe mir meinen Converter trotzdem von https://www.cerebus.de/ geholt, da diese Seite einfach mehr Charme hat. Und hey, wann war der Download eines Trados-Tools schon mal ein Erlebnis?

Keine Lust, vor dem Wahllokal Schlange zu stehen? Dann stellen Sie sich vor, Sie wären Franzose.

Keine Lust, vor dem Wahllokal Schlange zu stehen? Dann stellen Sie sich vor, Sie wären Franzose. In diesem Fall müssten Sie im Wahljahr nämlich viermal zur Urne. Wenn Sie also das Gefühl hatten, 2017 wurde ununterbrochen über die Wahlen in Frankreich berichtet – dann hat sie dieses Gefühl nicht getrogen. Doch weshalb brauchen unsere französischen Nachbarn vier Wahlgänge und wir nur einen?

Einen zusätzlichen Urnengang benötigen die Franzosen allein deshalb, weil in Frankreich Staatschef und Parlament getrennt gewählt werden. Hier „sparen“ wir in Deutschland schon mal einen Wahlgang ein: In Deutschland wählen wir den Bundestag, und dieser wählt den Bundeskanzler. In Frankreich wurde 1962 per Referendum entschieden, dass der Staatspräsident vom Volk direkt gewählt wird. Initiiert wurde diese Abstimmung von Charles de Gaulle. Für ihn war die Präsidentschaftswahl laut dem berühmten ihm zugeschriebenen Zitat la rencontre d’un homme et d’un peuple: die Begegnung zwischen einem Mann und einem Volk.

Dieses Zitat umreißt den großen Vorteil, den die Direktwahl für den Präsidenten hat: Er ist ganz klar – eben direkt – durch das Volk legitimiert. Doch auch für den Wähler hat das System der separaten Wahlen Vorteile: Er kann zwischen Partei und Präsidentschaftskandidat trennen. Wer bei uns SPD wählt, wählt Schulz. Wer Merkel wählen will, muss CDU wählen. Ein großer Nachteil des französischen Systems war lange Zeit das Auftreten von Cohabitations. Gehört der Präsident einer anderen Partei an als die Parlamentsmehrheit, und das ist bei diesem System möglich, können sich die beiden Institutionen äußerst erfolgreich blockieren. Früher fanden die Parlamentswahlen alle 5 Jahre statt, die zum Präsidentenamt alle 7 Jahre. Und in zwei Jahren konnte sich der Wählerwille schon mal ordentlich drehen. Inzwischen hat man das Risiko einer Cohabitation minimiert, indem man den Rhythmus der Präsidentschaftswahl auch auf 5 Jahre festlegte. Die „Nebenwirkung“: Jedes Wahljahr wird zum Superwahljahr, in dem Präsident und Nationalversammlung gewählt werden müssen.

Wie werden aus diesen beiden Wahlen nun vier? Ganz einfach: Für beide Wahlen werden je zwei Durchgänge benötigt.

Der Präsident muss durch eine absolute Mehrheit legitimiert werden, und die hat noch kein Kandidat im ersten Wahldurchgang erreicht. Deshalb wird als zweiter Schritt eine Stichwahl zwischen den beiden Bewerbern mit den meisten Stimmen durchgeführt.

Auch die Wahlen zur Nationalversammlungen bestehen aus zwei Runden. Denn auch bei dieser Wahl wählen die Franzosen keine Parteien, sondern Personen. In Deutschland haben wir ja ein Verhältniswahlrecht: Jede Partei erhält so viel Sitze, wie es ihrem Anteil an den Stimmen entspricht (wenn sie die Fünf-Prozent-Hürde geknackt hat). Dafür brauchen wir nur einen Wahldurchgang. In Frankreich jedoch gilt ein Mehrheitswahlrecht. Das Land ist in 557 Wahlkreise unterteilt, jeder Wahlkreis entsendet einen Abgeordneten. Jetzt wäre es theoretisch möglich, einfach nur einen Durchgang zu veranstalten und den Kandidaten, der dabei die meisten Stimmen bekommt, in das Parlament zu entsenden. So laufen beispielsweise die Wahlen zum britischen Unterhaus ab. Doch in Frankreich gewinnt im ersten Durchgang auch bei den Parlamentswahlen nur ein Kandidat, der die absolute Mehrheit der Stimmen auf sich vereint. Das kommt vor – aber selten. Deshalb gibt es in den meisten Wahlkreisen eine zweite Runde, in die alle Kandidaten einziehen, denen im ersten Wahlgang mindestens 12,5 % der eingeschriebenen Wähler ihre Stimme gegeben haben. Anders als bei den Präsidentschaftswahlen kann der Wähler im „second tour“ der Parlamentswahlen also eventuell zwischen mehr als zwei Kandidaten entscheiden; der Kandidat mit der relativen Mehrheit zieht dann in die Assemblée Nationale ein.

Das Mehrheitswahlrecht hat den Vor- und Nachteil, dass die stärksten Parteien überproportional viele Sitze erhalten. Deshalb standen sich auf der politischen Bühne unseres Nachbarlands bisher vor allem die beiden Volksparteien gegenüber, die Sozialisten und die Konservativen, oder einfach: la gauche et la droite. Da überrascht es nicht, dass sich die meisten Franzosen einem der beiden Lager zuordnen können: Sie können ganz klar sagen, ob sie de gauche oder de droite sind. Für eine kleinere Partei erschien es bisher unmöglich, die Mehrheit im Parlament zu erlangen, bis Macron des Unmögliche gelang: Mit seiner erst vor Kurzem gegründeten Partei La République en Marche eroberte er nicht nur das Präsidentenamt, sondern auch die Mehrheit der Parlamentssitze. Ein politisches jamais vu.

Der sicher geringste Nachteil des Mehrheitswahlrechts betrifft die Sonntage der Franzosen. Davon müssen sie folglich insgesamt vier opfern, möchten sie ihren Bürgerpflichten nachkommen. In Zeiten immer größerer Politikverdrossenheit mag das dazu beitragen, dass die Wahlbeteiligung in den Keller geht. Im ersten tour der Parlamentswahlen stimmten 2017 nicht einmal die Hälfte der Franzosen ab. Und im zweiten Wahlgang erreichte die Wahlbeteiligung ein trauriges Rekordtief von 43 Prozent.

Wir in Deutschland dagegen müssen nur einmal den Gang ins Wahllokal antreten. Das ist zu schaffen, und wenn das sonnige Herbstwetter auch noch so günstig für einen Ganztagesausflug wäre. Und, was noch viel wichtiger ist: Wir dürfen diesen Gang frei antreten. Für die Bürger vieler anderer Länder gilt das nicht. Deshalb hoffe ich, dass wir am Sonntag nicht ein Rekordtief, sondern vielleicht sogar ein Rekordhoch der Wahlbeteiligung erleben werden.

Fünfzig Pfennig für „der wo“

 

Fünfzig Pfennig für jeden Relativsatz mit „der wo“. So war in den frühen Achtzigerjahren die Regelung an meiner Grundschule. Und da kam ganz schön was zusammen. (An dieser Stelle viele Grüße an meinen ehemaligen Grundschullehrer Herrn Witter(1). Hoffentlich haben Sie auf den Kanaren besseres Wetter als wir hier!) Die Aufgabe der Schule war es, uns Dorfkindern Hochdeutsch beizubringen. Dialekt hatte da keinen Platz.

Wegweiser auf Inishmore

Welchen Stellenwert regionale Sprachen anderswo haben, musste ich in unserem letzten Sommerurlaub in Irland erleben. Dún Eoghanachta. Solchen Wortungetümen sieht man sich als Tourist gegenüber, sobald man sich in die Gaeltacht wagt, die Gebiete, in denen das Irische offiziell die vorherrschende Sprache ist. Orts- und Straßenschilder sind dort nicht zweisprachig, sondern ausschließlich auf Irisch. Doch auch im Rest des Landes ist das Irische – nicht das Englische – Hauptamtssprache. Englisch bringt es nur zur „second official languge“. Die irische Verfassung ist zweisprachig, wenn die beiden Sprachfassungen voneinander abweichen, geht jedoch der Text in irischer Sprache vor. Und das, obwohl nur 40,8 % der Iren von sich behaupten, der irischen Sprache überhaupt mächtig zu sein. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Irisch an den Schulen gelehrt wird. Und zwar als Pflichtfach.

Woher dieser unterschiedliche Umgang mit regionaler Sprache? Klar, einerseits vergleiche ich hier Äpfel mit Birnen. Das Irische ist eine eigenständige Sprache, kein Dialekt einer Hochsprache. Und dann ist es eben eine Sprache, während es in Deutschland so viele Dialekte wie Dörfer gibt. Doch schon diese  zweite Unterscheidung trifft nur bedingt zu. Zwar wird an Schulen ein auf staatliche Initiative hin erarbeitetes Standardirisch unterrichtet. Tatsächlich wird dieses künstlich geschaffene „Hochirisch“ jedoch nirgendwo gesprochen, stattdessen existieren verschiedene regionale Ausprägungen. So gesehen existiert das Irische nur in Form von Dialekten.

Der Ursprung der unterschiedlichen Bewertung von Regionalsprache dürfte vielmehr in der Geschichte liegen, in dem anders geprägten Ringen um einen Nationalstaat. Für die Iren ist das Irische die autochthone Sprache, in Abgrenzung zum Englischen, der Sprache der Besatzer. Noch heute ist die eigenständige Sprache (Englisch und Irisch gehören nicht einmal demselben Sprachzweig an) ein Symbol auch kultureller Eigenständigkeit. Die deutschen Dialekte hingegen sind aus jahrhundertelanger Kleinstaaterei entstanden. Wo jeder Landstrich ein eigenes Fürstentum bildete, fand auch keine sprachliche Durchmischung statt. Als ich zur Grundschule ging, gab es Deutschland als staatliches Gefüge gerade einmal gute hundert Jahre. Kein Wunder, dass dieser junge Staat das sprachlich Einende, nicht Trennende fördern wollte.

Doch seit meiner Schulzeit ist noch mal viel Wasser die Altmühl hinuntergeflossen. (Und das, obwohl ich behaupten kann, an den Ufern des am langsamsten fließenden Fluss Deutschlands geboren zu sein.) Europa wächst immer stärker zusammen, zumindest war das der Plan. Die Epoche der „europäischen Kleinstaaterei“ ist hoffentlich beendet. Und dennoch, der Mensch besitzt eine tief verwurzelte Sehnsucht nach regionaler Zugehörigkeit. Das Erstarken separatistischer Kräfte ist sicher nicht nur, aber auch darauf zurückzuführen. Deshalb muss an die Stelle des Europa der Staaten ein Europa der Regionen treten. Regionen bieten ein viel höheres – und gesünderes – Identifikationspotenzial. Regionale Identität lässt sich sinnlich erleben, staatliche nicht. Ein kleiner Test: Wie schmeckt Deutschland? Nicht wirklich. Wie schmeckt Franken? Nach Bratenduft, nach Lebkuchen, nach feuchtem Laub am Waldboden, nach den Algen im Altmühlsee. Wie schmeckt Hamburg? Nach Seetang, nach Astra, nach großer weiter Welt und ein bisschen nach Fisch.

Neuschwanstein

Ein Freund, Aki, der ursprünglich aus Persien stammt, bezeichnet sich gerne als Franke. Würde er sich auch als Deutscher bezeichnen? Ich habe ihn noch nicht gefragt. Aber er schwärmt von „unserem Franken“ und „unserem Bayern“. Regelmäßig macht er sich von seiner kleinen Autowerkstatt am Nürnberger Plärrer auf zu Orten wie Schloss Neuschwanstein oder Schloss Berg am Starnberger See, wo Ludwig II. zu Tode kam. „Wenn der Ludwig sehen könnte, dass ich da am Ufer stehe, würde er sich gleich noch mal umbringen“, meint Aki. Ich meine das nicht. Der Kini hätte sich bestimmt über den begeisterten Neubayern gefreut.

Regionen können also ein konkreteres, erlebbares Heimatgefühl stiften als Länder, und das für Neubürger wie für Alteingesessene. Deshalb sollten wir regionale Identität fördern, und dazu trägt auch die Pflege von Dialekten bei. Fränkisch, Bayerisch, Schwäbisch oder Kölsch als Schulfach? Warum nicht. Es muss ja nicht gleich ein Pflichtfach sein. Und wer als Kind verschiedene Bundesländer durchlebt, hat eben die Möglichkeit, verschiedene Dialekte zu erlernen – und damit auf jeder Party zu brillieren.

Früh übt sich der, der wo ein Meister werden will.

 

(1) Name von der Redaktion geändert.