Ich kann dolmetschen, das können sie nicht.
Ich kann beten, das können sie nicht.
Luther als Übersetzer
Ein Einblick in Luthers Übersetzungswerkstatt in sieben Punkten. Letzter Teil.
7) Luther hat zwar nicht die Arbeit erfunden, aber den Beruf.
Luther kann also in vielerlei Hinsicht für uns Übersetzer als Vorbild gelten. Doch auch ihm sind Fehler unterlaufen, einer davon mit weitreichenden Folgen.
Er übersetzte an mehreren Stellen zwei vollkommen unterschiedliche griechische Begriffe mit ein und demselben deutschen Wort: „Beruf“. Einerseits das griechische Wort für „Berufung (durch Gott)“. Und andererseits das griechische Wort für „Arbeit“. Max Weber geht in Die protestantische Ethik und der „Geist“ des Kapitalismus davon aus, dass „Beruf“ hier zum ersten Mal im Sinne von „Arbeit“ verwendet wird. Seither klingt in der Arbeit auch immer ein wenig Berufung mit. Die Arbeit erhält somit eine moralisch-religiöse Komponente, die sie zuvor nicht besessen hatte.
Und das bringt uns von der Wortklauberei zur Weltwirtschaft. Dürfen wir uns bei Luther bedanken, wenn wir um Mitternacht noch an einer Übersetzung sitzen, weil „Feierabend“ kein Argument ist? Wenn man mitbedenkt, welch starken Einfluss die protestantische Arbeitsethik auch ansonsten auf unser kapitalistisches Wirtschaftssystem hatte, sieht es fast danach aus. Andererseits ist es auch schön, dass es gerade ein Übersetzer war, der den Beruf erstmals zur Berufung machte.
Quellen:
Max Weber: Die protestantische Ethik und der „Geist“ des Kapitalismus, 1904/05 und 1920
Webers Gedanken zu Luthers Übersetzung nimmt Markus Väth in seinem überaus lesenswerten Buch zum New Work wieder auf. Markus Väth: Arbeit – die schönste Nebensache der Welt: Wie New Work unsere Arbeitswelt revolutioniert, Offenbach 2016